Gemeinsam gegen die Fluten – Teil 2

Gemeinsam gegen die Fluten – Teil 2

Am Samstag, 17. August 2002 17:30 Uhr rückte der THW Ortsverband Kirchehrenbach mit insgesamt 19 Helfern in den Patenlandkreis des Kreises Forchheim, den Landkreis Sächsische Schweiz ab. Unterstützung der dortigen THW – Einheiten lautete der Einsatzbefehl, welcher aus der Geschäftsstelle Bamberg kam. Um 18:00 Uhr trafen sich die Fahrzeuge aus Kirchehrenbach mit den Kameraden des Ortsverbandes Baiersdorf, der ebenfalls nach Pirna (Sächsische Schweiz) abgeordnet war.

Gegen 11:00 Uhr erreichte die Helfer aus dem Landkreis Forchheim ein neuer Auftrag: „Erkundungsmaßnahmen im Ort Weesenstein (Müglitztal) durchführen, Lagemeldung und Beginn von Arbeiten vor Ort nach eigenem Ermessen.“ Kurz danach rückten die Fahrzeuge aus dem Bereitstellungsraum Pirna/Lager Sonnenstein ab. Bereits auf der Anfahrt nach Weesenstein wurde den Helfern das Ausmaß der Schadenslage in dem kleinen Ort Weesenstein bewusst, der idyllisch vom Schloss Weesenstein überragt im Müglitztal liegt. Teile der Zufahrts-Strasse waren nicht mehr vorhanden. Die Müglitz – ein ansonsten eher beschauliches Flüsschen – war durch den Bruch eines Regenrückhaltebeckens im höher gelegenen Glashütte und durch die vorangegangenen Starkregenfälle zu einem reißenden Strom angeschwollen. In Weesenstein hat diese Flut zwei Menschen das Leben gekostet, weiterhin sind acht Wohnhäuser ein Raub der Wassermassen geworden. Den Führungskräften, welche die erste Erkundung vornahmen (Thomas Albert, Andreas Windisch, beide THW OV Kirchehrenbach) bot sich ein Bild des Schreckens. Als unmittelbar größte Gefahrenquelle für die Bevölkerung wie auch für die Einsatzkräfte wurden bei dieser ersten Begehung bereits Flüssiggastanks ausgemacht. Von diesen waren acht Stück vorhanden, zwei wiesen eine Undichtigkeit des Behälters auf, es bestand akute Explosionsgefahr. Von den Gebäuden die noch standen waren drei derart beschädigt, dass sie nicht mehr betreten werden konnten. Auf den Strassen (Schulstrasse und Altenbergerstrasse) lag der Schutt und Unrat, der einerseits aus den Häusern stammte, andererseits aber auch von der Müglitz mitgeführt worden war. In den Gebäuden waren die Keller und Erdgeschosse voller Schlamm, der zum Teil mit Heizöl kontaminiert war. Sanitäre Einrichtungen waren soweit noch vorhanden nicht mehr betriebsbereit. Es bestand zusätzlich durch den Unrat Seuchengefahr. An der Einsatzstelle war bereits eine Einheit des Technischen Einsatz Dienstes (TED) der Polizei des Bundes – Bundesgrenzschutz, mit schweren Räumarbeiten beschäftigt. Mit Radlader und Kipper-Lkw rückten die Grenzschützer dem Unrat und Schlamm auf der Schulstrasse zu Leibe. Jedoch war zu diesem Zeitpunkt nur ein Radlader vor Ort verfügbar. Die Offiziersschule des Heeres der Bundeswehr aus Dresden war mit ca. 60 Offiziersanwärtern vertreten, die gemeinsam mit der Bevölkerung mit Handwerkszeug dem Schlamm in den Wohnhäuser entgegentrat. Als erste Maßnahme wurde die Bergung der Gastanks eingeleitet, unterstützt durch einen Fachmann für Druckgasbehälter des TÜV Dresden wurden diese einzeln geborgen, nachdem bei den leckgeschlagenen durch einen Spezialpumpwagen – über die Einsatzleitung Pirna / Sonnenstein angefordert – das enthaltenen Gas entfernt wurde. Die Bergung der Tanks sollte sich bis Mittwoch hinziehen, da diese schwer zugänglich waren. Mit dieser Aufgabe war jedoch nur ein Teil der Mannschaft beschäftigt. Die restlichen Kräfte beschäftigten sich mit ersten Bergungstätigkeiten, es wurden auch Pumparbeiten durchgeführt. Die Bevölkerung die wegen des totalen Ausfalls der Strom- und Wasser-Versorgung nicht kochen konnte wurden zentral durch eine auf dem Schloss aufgestellte Feldküche der Feuerwehr Neustadt in Sachsen versorgt. Diese musste jedoch am Montag abrücken. Da die Einsatzmannschaft gerätetechnisch mit dem Schwerpunkt Pumparbeiten ausgerüstet war, mit der Unterstützung der Feuerwehren Markt Igensdorf, Kirchehrenbach und Schnaid, welche noch zusätzliche Pumpen zur Verfügung stellten, wurde diese in zwei Teams aufgeteilt. Am Montag wurde das Bergen der Gastanks fortgeführt. Des weiteren stand nun ein Fahrzeug mit Bagger zur Verfügung (Unimog-Lkw des OV Baiersdorf). Dieses wurde für lebenswichtige Räumarbeiten vor dem Gebäude der Verwaltungsgemeinschaft Müglitztal eingesetzt. Dort befand sich unter einem Haufen Unrat und Sperrmüll verborgen ein unterirdischer Transformator des Sächsischen Energieversorgers. Ohne diesen Transformator konnte im ganzen Ort die Stromversorgung nicht wiederhergestellt werden. Es trafen am Montag auch weitere THW – Einheiten vor Ort ein. Unter anderem auch sogenannte Fachgruppen Räumen des THW mit schwerem Räumgerät (Radlader und Kipper) aus Erfurt und Würzburg. Die am Sonntag über den Krisen-Stab des Landratsamtes in Pirna angeforderten Baustellen-Toiletten trafen ein, was die hygienischen Verhältnisse vor Ort erheblich verbesserte. Die Ablösemannschaft für die Feldküche traf ein. Die Versorgung war gesichert. Eine Fachgruppe Führung und Kommunikation des THW, beheimatet in Geretsried, richtete auf dem Schloss eine eigene Einsatzleitung für den Abschnitt Weesenstein ein, da aufgrund der großen Schadenslage die Leitung nicht alleine durch die oberfränkischen THW-Kräfte gesichert werden konnte. Andreas Windisch wurde als Verbindungsmann in diese Untereinsatzabschnittsleitung entsandt. Nun konnten sich die Einsatzkräfte vor Ort voll den wichtigen Arbeiten widmen, die unausweichliche Organisations- und Koordinierungsarbeit wurde von der Führungsgruppe übernommen. Die zweite Einheit mit den Pumpen betrieb verschiedene Einsatzstellen mit Tauch- und Kreiselpumpen. Und unterstützte den OV Duisburg mit einem Stromaggregat. Dienstag, weitere Kräfte treffen ein, ein bekannter Baumaschinen-Hersteller stellt unentgeltlich einen Radbagger zur Verfügung, welcher die Räumarbeiten in der Schulstrasse erheblich beschleunigt. Weitere Kipper des BGS können eingesetzt werden. An der Einmündung der Altenbergerstrasse in die Schlustrasse wird in einem Fahrzeug des THW eine Meldstelle aufgebaut, von hier aus wird die praktische Arbeit aller Hilfskräfte koordiniert, Anfragen der Bevölkerung und Behörden nach Unterstützung können von hier direkt beantwortet werden. Die Beräumung der Schulstrasse schreitet zügig voran. In den Abendstunden kann das Gebäude Altenbergerstrasse 34 provisorisch abgestützt werden, dies ermöglicht den Bewohnern, noch das wichtigste aus den Wohnungen zu retten. Die Gruppe mit der Pumpenausstattung unterstützt den Patenortsverband Pirna bei Pumparbeiten, in Krippen werden verschieden Häuser am Elbufer ausgepumpt. Gegen 17:00 Uhr wird die Einsatzeinheit, zu der auch wieder der OV Duisburg gestoßen ist zu einer Abstützung einer einsturzgefährdeten Mauer gerufen. Unter Leitung von Gruppenführer Volker Gebhard, Kirchehrenbach, werden die Abstützmaßnahmen durchgeführt. Mittwoch, der Rücktransport der ersten Kirchehrenbacher Kräfte muss organisiert werden. Ein Großteil der Mannschaft muss aus wichtigen Gründen abrücken. Die Bergung der Gastanks wird komplett abgegeben. Vor Ort vertreten bleiben die beiden Einsatzleiter des THW Kirchehrenbach, Thomas Albert und Andreas Windisch. Sie unterstützen weiter die Führungsgruppe in ihrem bemühen, die Einsatzstelle voranzutreiben. Am Freitag verlassen auch diese beiden THW – Helfer den Einsatzort Weesenstein, doch es fällt schwer zu gehen, denn in der vergangenen Woche hat man Verantwortung für diesen Sächsischen Ort übernommen und man kann das Leid der Bevölkerung nicht einfach vergessen und zur Tagesordnung zurückkehren.

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